Das erste gute Gefühl, an das ich mich im Leben erinnern kann, war, als ich fünf Jahre alt war und mein Vater mir eine Flasche „Rolling Rock“ Bier geschenkt hatte. Ich spürte die Wirkung des Alkohols, als ich trinkend in einer Ecke saß. Als ich meinen Vater ansah, war ich voller Liebe für ihn. Es war ein wunderbares Gefühl.

Das nächste gute Gefühl, an das ich mich erinnere, war ungefähr zur gleichen Zeit und betraf ein Mädchen namens Nancy, das ebenfalls etwa fünf Jahre alt war. Es war ein warmer Sommertag, und ich nahm die kleine Nancy in meine Arme, trug sie zu meiner Mutter und sagte: “Nancy und ich werden heiraten.” Ich erinnere mich an das Glück und die Freude, die ich in mir spürte. Dieses Gefühl sollte ich sechzehn Jahre lang nicht wieder haben.

Als ich acht Jahre alt war, nahm meine 14-jährige Schwester mich und meinen Bruder (10 Jahre alt) mit an den Fluss, wo sie uns das Schwimmen beibringen wollte. Mein Bruder ertrank an diesem Tag, und ich wurde mit knapper Not gerettet. Ich wurde an den Haaren herausgezogen, aber ich dachte, mein Bruder hätte das bessere Los gezogen – er durfte sterben und bei Gott sein, während ich nach Hause zu meiner Familie gehen musste. Mein Vater fing an zu trinken, und von da an wurde es immer schlimmer.

Was es für mich noch schlimmer machte, war, dass meine Familie nicht darüber reden wollte und so tat, als hätte ich überhaupt nie je einen Bruder gehabt. Aber ich war da! Ich wusste, was passiert war, und ich wusste, dass ich einen älteren Bruder gehabt hatte.

Als ich dann über Bauchschmerzen klagte, was alles ist, was ein Achtjähriger mit diesen unmöglichen Gefühlen haben kann, gaben sie mir Beruhigungsmittel zur Betäubung. Sie gaben mir dieses Zeug namens Paregoric, das gegen Durchfall und Magenbeschwerden bei Kindern hilft. Paregoric ist ein Opiat. Ich habe keine Erinnerung an die vier Monate nach dem Ertrinken meines Bruders bis zum Tag des JFK-Attentats. Das war der Tag, an dem ich das Bewusstsein wie nach einem langen Blackout wieder erlangte. Ich schaute mich im Klassenzimmer um und sah, dass alle weinten. Ich konnte nicht verstehen, warum, bis ich erfuhr, dass der Präsident der USA ermordet worden war. Alles, was ich wahrnahm war, dass ich gar nichts fühlte.

Meine Erinnerung an diese Zeit ist immer noch vage, aber ich weiß noch, dass ich mit fünfzehn Jahre regelmäßig trank. Im Alter von 25 Jahren hatte ich einen Leberschaden. Normalerweise trank ich nicht bis zum Blackout, aber ich erinnere mich, meinen Namen gehört zu haben: “Kirk!” Aber das war nicht mein Name. Ich ging in mein Schlafzimmer und fand ein Mädchen, das aussah wie 12 Jahre. Sie saß auf meinem Bett, ohne Kleidung und mit einer Flasche Bier in der Hand. Ich sagte: “Du musst dich anziehen. Und du musst gehen!” Sie sagte nur: “Nun, kann ich das Bier behalten?”

Mir wurde klar, ich bin 25 Jahre alt. Das ist gegen das Gesetz. Ich habe ein Problem!
Ich wurde am 24. Februar 1980 bei den Anonymen Alkoholikern nüchtern. Mein Sponsor setzte sich mit mir zusammen und sagte mir, ich solle mir die sieben Todsünden als Teil meines Vierten Schritts anschauen. Ich sah mir die Liste an: Zorn, Habgier, Völlerei, Trägheit, Stolz, Neid … aber als ich zur Lüsternheit kam, dachte ich: Das ist keine Sünde! Ich BRAUCHE das, um morgens aus dem Bett zu kommen. Ich brauche das, um morgens aufzustehen – ich brauche das, um nachts einzuschlafen!

Siebzehn Jahre später war ich immer noch nüchtern bei den AA. Ich hatte Leute gesponsert, besuchte Alkoholiker im Gefängnis und engagierte mich in der Gemeinschaft, aber ich war lüstern und wie besessen von meiner Schwägerin.

Eines Tages kamen sie und ihr Mann vorbei, angezogen für eine Hochzeit, zu der sie unterwegs waren. Ich war damals ein begeisterter Fotograf, und in meinem Kopf entwickelte sich ein ganzer Plan: Ich werde meine Schwägerin fragen, ob ich sie in ihrem schönen Outfit fotografieren darf …, aber nicht mit ihrem Mann. Ich will nur Bilder von ihr. Aber als ich aufstand, um den Vorschlag zu machen, sagte etwas: Buddy! Was ist los hier? Und mir wurde klar: Hier stimmt eine ganze Menge nicht! Ich setzte mich sofort wieder hin. Meine Frau, ihre Schwester und mein Schwager sahen mich alle fragend an, was los war? Ich wollte einfach verschwinden. Ich versuchte, in das Sofa zu sinken und erkannte auf der Stelle, dass ich ein Lüsternheitsproblem hatte, und dass es dabei ist mein Leben zu ruinieren. Ich bin sicher, ich war weiß wie ein Bettlaken.

Ich hatte bereits eine Vorliebe für pornografische Zeitschriften. Ich hatte Freundinnen und eine Menge anderer Dinge, von denen ich dachte, dass es “nicht gut für meine Ehe” sei. Jemand hatte mir von den „Anonymen Sexsüchtigen“ erzählt und dem, was sie das „Weiße Buch” nannten. Man sagte mir, dass es in der Nähe ein Meeting gäbe, und als ich in diesem Meeting saß, fühlte ich mich wie zu Hause. Als sie sagten, “wir fühlten uns unzulänglich, unwürdig, allein und ängstlich”, das war ICH!

Es gab dort einen Mann, der seit 10 Monaten nüchtern war. Ich sagte zu ihm, “Du wirst mein Sponsor sein.” Er sah mich nur an, also fuhr ich fort: “Deine 10 Monate Nüchternheit sind ein Geschenk Gottes an dich. Wenn du also nicht zustimmst, mich zu sponsern, wird Gott dir dieses Geschenk gleich wieder wegnehmen.” Ihr seht, zu diesem Zeitpunkt war ich ein wirklich kluger Mann. Aber ich war immer noch nicht sehr weise.

Ich kannte die Zwölf Schritte in- und auswendig von den Anonymen Alkoholikern. Er war erst 10 Monate nüchtern in AS und war noch nie bei den Anonymen Alkoholikern gewesen und dachte wahrscheinlich, er hätte keine andere Wahl, als mein Sponsor zu werden. Also begannen wir
fleißig in den Schritten zu arbeiten, und ich begann, Charakterfehler an mir zu erkennen, die bei den Anonymen Alkoholikern nie in Erscheinung getreten sind.

Wenn ich mit meiner Frau eine intime Begegnung hatte, fantasierte ich von dieser oder jener andren Frau oder von jemandem, den ich in einer Zeitschrift gesehen hatte, oder von jemandem, den ich im Einkaufszentrum gesehen hatte. Meine Frau vermutete, dass ich eine Affäre hatte – sie wusste genau, dass ich geistig und emotional nicht bei ihr war. Ich war beim Sex oft in meiner eigenen Fantasiewelt, obwohl meine liebe Frau körperlich bei mir war.

Mein Sponsor schlug eine Zeit der Abstinenz vor, und so begann ich mit 90 Tagen. In dieser Zeit wurde meine Sucht nach Lüsternheit wirklich deutlich. Ich spürte eine Menge beunruhigender Dinge in mir selbst. Aber ich musste auch an all dem arbeiten. Ich habe den Vierten Schritt zum Thema Lüsternheit wirklich gründlich durchgearbeitet. Ich begann auch, meine Spiritualität zu entwickeln, indem ich das AS-Programm arbeitete. Ich wendete in AS an, was ich bei AA gelernt hatte, also engagierte ich mich und begann, Dienstpositionen zu übernehmen. Mein Sponsor und ich begannen gemeinsam ein wöchentliches AS Meeting im örtlichen Gefängnis. Wir schnappten uns Leute aus unserem Stamm-Meeting, die über 90 Tagen waren. Wir schleppten sie mit uns ins Gefängnis und sagten: “Du musst reden!” Trotzdem war ich ein echter Klugscheißer. Aber wir hatten Spaß!

Irgendwann zu dieser Zeit dachte ich: Ich habe eine Menge Spaß, aber es scheint alles nur in meinem Kopf zu sein. Ich fühle keine Freude in meinem Körper, in meinem Geist. Ich dachte, wenn ich nur die Schritte härter arbeiten würde und mehr Dienstverpflichtungen übernehmen würde, dann würde ich es schaffen! Die ganze Zeit über sprachen andere in der AS und in der AA Gemeinschaft davon, dass sie sich “glücklich, fröhlich und frei” fühlten, während ich dachte: “Was ist nur los mit mir?!

Als ich anfing, meine Überzeugungen zu überprüfen, dachte ich, dass etwas mit mir nicht stimmte. Ich fühlte mich wie ein gebrochener Mann und dass mit mir von Geburt an etwas nicht stimmte. Wenn ich als Alkoholikerin geboren wurde, dann war ich auch als Sexsüchtiger geboren. Aber da war noch etwas tiefer in mir, die Vorstellung, dass ich einfach gebrochen war.

Ich erinnerte mich daran, von anderen AS Freunden gehört zu haben, dass sie sich “unzulänglich, unwürdig, allein und ängstlich” fühlten, und ich erinnerte mich, dass Bill W. Ärzte und Psychologen erwähnte. Also sprach ich über die Dinge mit einem Therapeuten, aber ich schien nie zur Wurzel meines Problems vorzudringen, obwohl er auch nüchtern bei AA war. Er sagte, ich würde depressiv klingen und wollte mir Medikamente verschreiben. Darüber sprach ich mit meiner Höheren Macht.

Als Feuerwehrmann aus Philadelphia hat mich der 11. September 2001 (u.a. der Anschlag auf das New Yorker World Trade Center und andere Ziele) in einen Abwärtsstrudel gebracht. Es fühlte sich an, wie ein abwärts gerichtetes schwarze Loch. Nachdem ein anderer Arzt mir ein Antidepressivum verschrieb, wurde mein Kopf wieder klarer, aber ich fühlte mich immer noch deprimiert. Ich beschloss, das zu tun, was ich schon wusste, und so verdoppelte ich meine Anstrengungen. Jeden Tag, wenn ich aus dem Bett stieg, fühlte ich mich, als würde ich einen

Bleianzug tragen. Ich arbeitete so hart wie möglich mit den neuen Leuten im Programm und ging weiterhin zu den Treffen, aber die Schwere ging einfach nicht weg.

2019 fuhr ich nach Spanien zu der AS-Welt-Konvention in Madrid, aber ich isolierte mich. Ich war unter 300 genesenden Brüdern und Schwestern, und ich fühlte mich allein. Ich konnte mich nicht dazu durchringen, ein anderes Mitglied zu bitten, die Stadt mit mir zu besichtigen. Mein Gefühl der Unwürdigkeit saß immer noch tief, obwohl ich schon über 20 Jahre der Nüchternheit in AS hatte.

Dann las ich etwas über diese Sache namens “PTBS” (Posttraumatische Belastungsstörung). Ich verstand nicht viel davon, aber ich wusste, dass es etwas gab, das ich nicht ansprach. Später erfuhr ich, dass ich versuchte, eine “spirituelle Umgehung” (Bypass) zu machen. In der AS-Lösung heißt es, dass wir in drei Bereichen nüchtern werden müssen: geistig, emotional und körperlich (siehe AS, 61). Ich hatte sowohl den emotionalen als auch den körperlichen Bereich umgangen.

Ich lernte, dass ich weder kaputt war, noch dass etwas mit mir nicht stimmte. Sondern ich war einfach nur verletzt. Ich fand einen Therapeuten, der mir half zu erkennen, dass ich viel Schmerz, Verwirrung und Selbstvorwürfe in meiner Kindheit erfahren hatte (sie nannte es “Trauma”), und ich trug dieses Trauma immer noch in meinem Körper (das waren sowohl die körperlichen als auch die emotionalen Teile der Lösung, die ich umgangen hatte). Ich hatte nie über den Verlust meines Bruders getrauert. Ich hatte als Kind beschlossen, dass ich mir niemals erlauben würde, jemanden zu lieben, denn wenn ich jemanden liebe würde, wird er mir wegsterben. „Du wirst entweder sterben oder verlässt mich auf andere Art und Weise“. An diesem Punkt wurde mir klar, dass ich niemandem nahestand. Ich war mir nicht einmal sicher, ob ich meiner Frau nahestand!

Also begann ich wirklich, an diesem psychologischen Aspekt der Lösung zu arbeiten. Aber je mehr ich die Zwiebel schälte, desto schlimmer wurde es. Ich begann, körperliche Symptome wie Hitzewallungen, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust, und sogar Paranoia zu bekommen. Es gab Tage, da hatte ich sogar Angst, das Haus zu verlassen. Aber wie hängt das alles mit unseren Zwölf Schritten zusammen? Ohne die Zwölf Schritte der AS und der AA wäre ich wieder da draußen und hätte gesoffen, lüstern gelebt und mich danebenbenommen. Und ich wäre heute tot. Das AS Programm hat mir geholfen zu erkennen, dass ich nicht zu dieser Art von Leben zurückkehren wollte. Ich wollte es schaffen, das durchstehen – nüchtern!

An dieser Stelle kommt die Bitte um Hilfe von außen ins Spiel. Ich habe befolgt, was Bill W. gesagt hat: „Gott hat diese Welt reichlich mit guten Ärzten, Psychologen und Heilpraktikern aller Art versorgt. Zögern Sie nicht, sich mit Ihren gesundheitlichen Problemen an solche
Personen zu wenden. Die meisten von ihnen geben aus freien Stücken von sich, damit ihre Mitmenschen einen gesunden Geist und Körper wieder erlangen. Versuchen Sie daran zu denken, dass Gott zwar Wunder unter uns bewirkt hat, wir sollten niemals einen guten Arzt oder Psychiater herabsetzen. Ihre Dienste sind oft unentbehrlich, wenn es darum geht, einen Neuen zu behandeln und seinen Fall weiter zu verfolgen. (AA, S. 133).

Ich dachte, dass ich die Schritte wohl nicht richtig gearbeitet hätte. Wenn das so wäre, hätte ich diese Depression nicht. Ich begann mit einem anderen Therapeuten zu arbeiten, der den Begriff “spiritueller Bypass” verwendete – ich hatte versucht, mit den Zwölf Schritten und so viel Dienstarbeit den ganzen Kummer aus meiner Kindheit zu überwinden. Der Hauptgedanke in meinem Kopf war aber immer noch Selbstmord. Dieser Therapeut half mir, in Kontakt zu kommen mit dem emotionalen und körperlichen Heilungsprozess. Ich baute langsam eine vertrauensvolle Beziehung zu ihm auf oder, wie die 12&12 es nennen, eine “wahre Partnerschaft” (S. 53). Erst in den letzten paar Monaten konnte ich anfangen, mich “glücklich, freudig und frei” (AA, S. 133) zu fühlen. Gestern Abend war ich in einem Meeting und etwas aus der vorgelesenen Text erinnerte mich an ein Erlebnis, das mein Sohn im Kindergarten hatte, und ich sang: “Ich bin eine kleine Teekanne, klein und dick. Dies ist mein Henkel, dies ist meine Tülle.” Ich konnte nicht glauben, dass ich gerade ein Kinderlied in einem AS-Meeting gesungen hatte! Aber es war für mich der Beweis, dass ich endlich anfange, glücklich und frei zu werden, wenn ich anfange, alle drei Seiten meiner Krankheit und meiner “Verletzung” zu betrachten: die geistige, die emotionale und die körperliche.

Es war ein harter Weg für mich, aber ich weigere mich absolut, mich selbst aufzugeben. Ich erkenne heute, dass ich nicht kaputt bin, dass ich wichtig bin und dass ich würdig bin, weil ich ein Kind Gottes war und bin! Die biologischen Eltern waren ein Instrument meiner Existenz, aber ich wurde von Gott erschaffen, und ich werde mich nicht aufgeben!

Zögere nicht, mit deinen körperlichen und seelischen Gesundheitsproblemen zu “Ärzten, Psychologen und Heilpraktikern verschiedener Art” zu gehen. Bill wusste, wovon er sprach, und er tat es selbst. Wenn es für ihn gut genug war, ist es auch für mich gut genug.

(Adaptiert aus einem Speakermeeting, 4. Oktober 2023)